Nicht ganz nach Vorschrift ...

Irgendwann - ich glaube, das war noch, als ich in Gießen wohnte, also vor 1990 - kaufte ich mir mal ein Quantum gesprenkelte Baumwolle in der Grundfarbe Hellgrün zur Stricken eines ärmellosen Sommertops. Es ging ziemlich daneben. Das Sommertop habe ich zwar getragen, aber nur so ein oder zwei Jahre, dann gefiel es mir nicht mehr und wurde weggelegt. Erstens war die Baumwolle für das gestrickte Muster (Zopfmuster) nicht geeignet. Zweitens strickte ich überdies mit zu großen Nadeln. Alles prima ausgeleiert. Drittens ist der Einsatzbereich eines ärmellosen Sommertops aus Baumwolle für Nadelstärke 4 ohnehin begrenzt.

Da das Garn nach wie vor schön ist - und ich hatte sogar noch etliche Restknäuel liegen -, beschloss ich, einen neuen Versuch zu machen. Diesmal wählte ich einen Sommerpulli aus dem "Knitter Deutschland", Ausgabe 25/2016, von Jo Allport. Die Vorlage sieht eine gerade Form vor mit geschwungenem Saum, hinten länger als vorne, und angeschnittene kurze Ärmelchen.

Dass ich die Ärmelchen ändern muss, war von vornherein klar - wenn mir etwas definitiv nicht steht, ist es diese Ärmelform. Aber auch der Saum machte mir etwas Kopfzerbrechen. Laut Anleitung soll man mit 8 Maschen Anschlag starten und in jeder Reihe beidseitig ein paar Maschen dazu anschlagen, bis die Runde geschlossen werden kann. Dann wird der Rumpf hochgestrickt und nach Fertigstellung soll man aus dem unteren Rand wieder Maschen aufnehmen und eine breite Borte mit großen Löchern anstricken.

Ich habe es versucht, aber es ging überhaupt nicht. Der in jeder Reihe erweiterte Maschenanschlag sah scheußlich aus. Vielleicht wäre beim Herausstricken der Maschen für die Borte einiges glattgebügelt worden, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen. Zumal ich den Mehrwert dieser Konstruktion überhaupt nicht erkennen kann.

Ich habe alle Maschen für die Borte angeschlagen, 15 cm in Reihen gestrickt, zur Runde geschlossen und dann mit verlängerten Reihen den geschwungenen Saum gearbeitet. Das sah einfach unvergleichlich viel besser aus. Beim Stricken merkte ich nach und nach, dass ich zuviel Weite vorgesehen hatte, aber da ich ohnehin eine etwas längere A-Form plante, nahm ich einfach ein paar Maschen ab: vorne und hinten jeweils 5 Maschen von der markierten "Seitennaht" entfernt jeweils vier Maschen, und zwar in Abständen von sechs Runden. Danach hatte ich meine komfortable Lieblingsweite von insgesamt 108 cm erreicht.


Design Jo Allport

Das Teil sieht merkwürdig aus an der Puppe; obwohl meine "Brienne" eine bessere Figur hat als ich, finde ich den Pulli an mir schöner. Sogar Schwiegermutter, die sonst der Meinung ist, ich solle mir meine Oberbekleidung für fünf Euro bei Kik kaufen und die ersparte Zeit in Haus- und Gartenarbeit investieren, hat den Pulli gelobt. Leider habe ich (noch) kein Tragefoto.

Der Pulli heißt bei Ravelry übrigens "Agathe" nach einem Roman von Gabriele Reuter (1859 - 1941), der mich sehr bewegt hat. Es geht darin um das Schicksal eines bürgerlichen Mädchens "aus guter Familie" (dies ist der Titel des Romans), das das Pech hat, keinen Mann zu finden. Agathe ist weder hässlich noch doof - es ergibt sich nur einfach nicht. Mit 30 ist sie praktisch eine alte Jungfer, doch noch immer eingebunden in ein System, das sie als "Mädchen" ansieht, also als unmündig. Agathe kann noch als Erwachsene weder ihren persönlichen Umgang noch ihre Lektüre selbst wählen. Ihr Vater schließt sogar Heckels Naturgeschichte vor ihr weg - sie soll lieber Blumen pressen, das wäre doch passender für das Töchterchen ... Man kann den Roman umsonst beim Projekt Gutenberg runterladen, ich lege hier gleich mal einen Link zu der Autorin: Gabriele Reuter.


Und nun zu einem Vierbeiner ...

.. einem ebenfalls nicht ganz vorschriftsmäßigen Viech.


Design: Simone Wohlert

Dies ist mein Alpaca mit Namen Ché Pelirrojo y Morales y Guevara Apu Llioma sin Nombre. Der Name ist von meinen Facebook-Freunden zusammengewürfelt - ich habe Che Guevara und Evo Morales als Vorschläge in die Runde geworfen, alles andere wurde sozusagen plebiszitär zusammengetragen.

Ich musste in mehrfacher Hinsicht von der schönen Vorlage von Simone Wohlert abweichen. Zunächst schien mir der Plan für den Rumpf recht unpraktisch: man sollte eine Röhre stricken, dann unten an die Röhre ein kreisförmiges Läppchen, das rundherum als Popo angenäht werden soll, und dann noch vom unteren Rand des Rumpfs nach oben ein weiteres wuscheliges Teil, das als Bauchfell vorne angebracht wird. Ich habe das alles in einem Aufwasch gemacht, ohne Naht. Dabei strickte ich vom unten geschlossenen Rumpf aus nach oben zum Kopf hin, musste also schon während des Strickens Füllung eingeben. An der Kopfform hatte ich nichts zu ändern; die Ohren waren dann allerdings bei weitem zu groß - hätte ich die wie vorgesehen gestrickt, hätte ich einen Schlappohr-Esel gehabt anstatt eines Alpacas. Sie sind gerade mal halb so groß. Und auch die Beinchen sind erheblich kürzer. Einen Schwanz habe ich ihm auch nicht gestrickt. Statt dessen gibt es eine gehäkelte Zugschnur, die vom Nacken bis hinunter zum Popo reicht. Damit kann der Hals aufgerichtet oder entspannt werden.



Sollte ich das Alpaca noch einmal stricken - was durchaus passieren könnte, ich habe noch jede Menge Flauschwolle liegen -, werde ich den ganze Rumpf aus "haariger" Wolle stricken und das Bauchstück weglassen. Auch die Schnauze könnte schmäler ausfallen und die Ohren sind noch nicht so ganz wirklichkeitsgetreu. Aber Ché Pelirrojo ist schon mit uns im Wohnmobil nach Italien gefahren und hat sich vorbildlich benommen. Als Prototyp ist er tauglich.

Wohnsitze





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